Der Hofstaat und sein Narr

Jeremy_Corbyn_Bahrain_2Man muss Jeremy Corbyn nicht mögen. Und es gehört zum medialen Tagesgeschäft, mit diffus wertenden Bildern zu arbeiten. Wie Jochen Buchsteiner etwa in der FAZ. Er attestiert Tony Blair, „die Zeiger nach vorne“ gestellt zu haben, währen der neue „linksradikale“ Labour-Chef sie nun wieder zurückdreht. Progressiv und nach vorn blickend, will uns dieses Bild bedeuten, ist nur das neoliberale Projekt. Bitter allerdings wird die Berichterstattung, wenn nur noch Zirkus inszeniert, wenn Corbyn die Narrenkappe übergestülpt wird. So geschehen im Deutschlandfunk. Weiterlesen

Stör’ meine Kulturkreise nicht

Der Zwang des Kollektivs: Warum kulturelle Identität kein harmloser Teamgeist, sondern exklusives Konstrukt ist

Das Ich ist kein Gegenstand. Ludwig Wittgenstein[1]

sprachlos_kulturkreiseLeitkultur[2] und Integration, Kampf der Kulturen und Identitäre, Mehrheitsgesellschaft und Schicksalsgemeinschaft: Immer wieder ploppen in bundesdeutschen Debatten neue Begriffe auf oder werden längst begraben geglaubte Konzepte zu neuem untotem Leben erweckt – „das grundlegende Kulturverständnis jedoch verändert sich kaum. Ob nun die bereichernden Qualitäten der Multikultur gepriesen werden oder Konservative auf die deutsche ‚Leitkultur’ pochen, immer bleibt Johann Gottfried Herder der unsichtbare Pate des hiesigen Kulturdiskurses. Noch die avanciertesten postmodernen Konzeptionen von ‚Transkultur’ arbeiten sich an der hergebrachten Vorstellung ab, Kulturen seien unabhängige Gebilde mit festen Grenzen und gleich bleibendem Kern.“[3] Weiterlesen

Die AfD spuckt Gift und Galle

Simplicissimus_Unsern_FeindenDie AfD wäre gern eine seriöse Partei. Dumm nur, dass sie keinen Millimeter Abstand zum rechts-nationalistischen Mob hält und sich ausgiebig aus deren Gerüchteküche bedient. In einer Pressemitteilung verrührt sie falsche Zahlen und Stereotype zu einem feindseligen Brei.

Die Pressemitteilung der AfD-Fraktion im sächsischen Landtag vom 21. September 2015 besticht mit einer wahrlich propagandistischen Überschrift: „Vergewaltigungen durch Asylbewerber – Staatsregierung bisher planlos“. Gegenwärtig ist es einfach, auf die sächsische Landesregierung einzuprügeln, weil sie in der Tat nicht viel richtig gemacht hat. Und die AfD versucht sich nun daran, von ganz unten zu treten. Weiterlesen

Antworten auf die „Flüchtlingsfrage“

_refugees_are_human_beingsMedien verschiedener Couleur hauen ja immer mal daneben, wenn es um Schlagzeilen geht. Empathie und Pietät muss man mitunter suchen – manchmal ist im Teaser oder im eigentlichen Beitrag mehr davon verbaut, als der Titel vorgibt. Weil aber dieser Titel bekanntlich die Klickzahlen liefert, wird oft scharf geschossen. Weiterlesen

Kurzer Prozess

Wenn in Medien und Politik vom „kurzen Prozess“ die Rede ist, heißt das üblicherweise nichts Gutes. Ob es um Schnellverfahren gegen vermeintliche Diebe oder um einen „Kurzen Prozess mit Asylanträgen“ geht, beharrlich suggeriert der Begriff, dass die Dinge optimiert werden, dass Verfahren und Prozesse keine lästigen Umwege mehr gehen müssen. Die Sachlage ist doch eigentlich klar und kann auf kurzem Weg abgewickelt werden. Damit wird häufig geschickt verdeckt, dass Rechtsnormen gebrochen und Verwaltungsabläufe bzw. politische Entscheidungen über das Recht gestellt werden. Das passt dann zur alltäglichen Metapher, die damit spielt, nicht lange nachgedacht und abgewogen, sondern rigoros entschieden und gegebenenfalls durchgesetzt zu haben. Der kurze Prozess ist häufig die Verschleierung der Willkürherrschaft.

Grenzschließung als Notbremse?

Notbremse

Die Mopo signalisiert, wie die Bundesregierung die Grenzschließung argumentiert: Sie „zieht die Notbremse.“ Andere Medien werden sicherlich auf diesen Zug aufspringen und die Lage so oder ähnlich bebildern. Das ist zwar typisch, aber abstoßend, weil es uns bedeuten soll, dass wir in einer Notlage sind. Weiterlesen

Rückantwort

(keine Erklärung im Duden)

Ein vergleichsweise gebräuchliches Wort im Verwaltungsdeutsch. Das macht es sicher nicht besser. Eine Antwort ist eine Gegenrede, eine Entgegnung. Sie beschreibt also immer schon einen reaktiven Prozess, mit dem einer Aussage begegnet wird. Eine Rückantwort wäre dann eine Gegengegenrede oder eine Entgegenentgegnung, die, streng genommen, auf den Sprecher zurückfällt. Also ein Selbstgespräch. Warum man diesem Begriff auch noch eine Schwester schenken muss und von „Rückäußerung“ spricht, bleibt unklar.

Bürgerextremismus: Die neue Gefahr

512px-German_garden_gnomeDrehen wir ein wenig an den Begriffen. Aus der universell einsetzbaren Extremismusformel, mit der auf alles geschossen werden kann, was sich politisch bewegt, ist noch der eine oder andere Spaß herauszukitzeln. Ohne größere Kopfstände jedenfalls lässt sich diesem Begriffsapparat, der nie das Niveau einer Theorie erreicht hat, neuerdings ein Bürgerextremismus abringen. Weiterlesen

Besessen vom Besitz

geld_verfuegenMittlerweile ist es Usus, Dingen Handlungsmacht anzudichten. Alles mögliche „verfügt über“ oder „besitzt“ etwas. Wohnungen zum Beispiel. Die schöne 4-Raum-Wohnung besitzt einen Balkon und verfügt über ein Tageslichtbad, lassen uns entsprechende Anzeigen wissen. Oder Möbel. Der Schreibtisch besitzt zwei große Schubladen. Ohne Zweifel, Anzeigentexte sind hartes Brot; und es lässt sich vermuten, dass die Autoren die drögen Verben „haben“ und „sein“ umschiffen und etwas variabler, geistreicher formulieren wollten. Das Ergebnis klingt nicht nur komisch, sondern zeigt, wie sakrosankt Eigentum gegenwärtig ist. Weiterlesen

Speisekartenbashing. Wie ist dein Vietnamesisch?

spezialNicht erst seit Facebook und Co amüsieren sich Leute, die ein bisschen was für Sprache im engeren Sinn übrig haben, gern über die Fehler anderer. Dabei reicht das Spektrum von konservativen Sprachbewahrern (Verein deutsche Sprache), über Duden-Affine („Ich war schon immer gut in Deutsch!“), bis zu denen, die einfach Spaß daran haben, anhand der Fehlerquote in Rechtschreibung und Grammatik auf den IQ des Autors zu schließen. Weiterlesen