AfD: Das Christentum ist grundgesetzwidrig!

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Foto: Metropolico.org

Es ist schon erstaunlich, auf welchem Niveau sich die aktuellen politischen und medialen Debatten bewegen. Kein Ressentiment, kein veralteter ideologischer Zinnober scheint stumpf genug, um nicht berichtet und besprochen zu werden. Und weil die AfD nicht viel länger auf dem Ticket „Flüchtlingskrise“ fahren kann (schließlich ist die Bundespolitik längst auf den xenophoben Kurs eingeschwenkt), kauft sie gerade ein neues, nicht minder einfältiges. Die Anfeindungen gegen den Islam, mit denen die Partei hofft, weiterhin die Zornigen und Vergrätzten hinter sich versammeln zu können, sind dabei so billig, dass sie nicht einmal rechtsradikalen Ansprüchen genügen dürften. Frauke Petry findet, halbwegs logisch besehen, das Christentum und selbst Fußball grundgesetzwidrig.

Eine ganze Weile hat es die AfD – im indirekten Zusammenspiel mit Pegida – geschafft, Stereotype, Vorurteile und blanken Rassismus zu verbreiten und Leute hinter sich zu scharen, die für solche Projektionen anfällig sind. Mittlerweile aber leeren sich die Turnhallen, weil die für einen Moment ausgerufene „Willkommenskultur“ längst eingefangen und in ihr Gegenteil verkehrt wurde. Und das sogenannte Abendland taumelt trotz einiger geflohener Menschen, die es bis nach Deutschland geschafft haben, immer noch nicht dem Abgrund entgegen. Es wird also schwerer, die biodeutsche bzw. nationale Erregung hochzuhalten, weil die Lebenswelt das phantasierte Drama nicht bestätigt. Für einen weiteren Ausschluss sachlicher Perspektiven schiebt die Partei nun den nächsten Pappkameraden in den Vordergrund, der scheinbar logisch auf den ersten folgt: Den Islam.[1]

Dieser Schachzug war vorhersehbar. Wer seine Popularität auf Ressentiment baut, muss es bewirtschaften. Da bleibt wenig Raum für andere Themen, bei denen zumeist noch ein wenig mehr Sachkenntnis gefragt wäre. Und dass es im Nachgang dieser Themensetzung nicht sachlich zugehen würde, entbehrt ebenfalls jedes Überraschungsmoments. Parteichefin Petry, die mit aller Macht versucht, die bürgerliche Fratze der Partei zu mimen, gibt sich entsprechend Mühe, die Ablehnung einer ganzen Religion objektiv zu begründen. Mit ihrem jüngsten Anlauf allerdings hat sie ein Paradebeispiel für alberne Erklärungsmuster geliefert, mit denen das billige Othering (der Islam als böser Anderer, als Phantasma eines Feindes, den es braucht, um die eigene, brüchige Identität zu stabilisieren) behelfsmäßig übertüncht werden sollte. „Die Erfindung des Feindes, das ist das Gebot der Stunde“ (J. Derrida).

In einem langen Interview in der Welt stellt sie unumwunden fest, dass „die Grundgesetzwidrigkeit des Islam eine Tatsache ist und sich ganz einfach nachweisen lässt.“ Abgesehen davon, dass sich die gelernte Chemikerin damit selbst zur Verfassungsrichterin erhebt, ist die Beweisführung atemberaubend:

Die Wurzeln des radikalen Islam, der unsere Verfassungsordnung bedroht, liegen auch nach Meinung zahlreicher Islamwissenschaftler eindeutig im Koran und seinen Interpretationen. [Das bereits ist preisverdächtig scharfsinnig.] Weil sich alle Muslime auf den Koran beziehen, ist es nicht einfach, zwischen frommen Muslimen, Radikalen und Islamisten zu unterscheiden. Hören Sie sich doch an, was in vielen deutschen Moscheen gepredigt wird. Das ist eine politische Ideologie, die sich auf den Koran beruft. Solange das so ist, wie sie ist, solange ist das Problem der Radikalisierung des Islam untrennbar mit dem Koran und der Scharia verbunden.

Hier eine logische Paraphrase dieser Aussage, der Petry – einen halbwegs klaren Verstand vorausgesetzt – nicht widersprechen könnte: „Die Wurzeln des Christentums […] liegen nach Meinung zahlreicher Religionswissenschaftler eindeutig in der Bibel und ihrer Interpretationen. Weil sich Christen auf die Bibel beziehen, ist es nicht einfach, zwischen frommen Christen, Radikalen und Evangelikalen zu unterscheiden. Hören Sie sich doch an, was in vielen deutschen Kirchen gepredigt wird. Das ist eine politische Ideologie, die sich …“ usw.

Formal arbeitet Petry mit einem Kompositionsargument, also mit einem Fehlschluss, der fälschlich von Teilen auf ein Ganzes schließt. Unterschiedlich skaliert, lässt sich damit alles behaupten. Etwa: Zwei blonde deutsche Männer haben am Kölner Hauptbahnhof Telefone geklaut. Nun stehen alle blonden deutschen Männer im Verdacht, Diebe zu sein. Weil einzelne oder wenige einer angenommenen Gruppe Böses sagen oder tun bzw. Böses gesagt oder getan haben, muss die ganze Gruppe aus demselben Holz sein. Mit einer solchen Argumentation (die freilich diesen Namen nicht verdient) lässt sich dann alles als grundgesetzwidrig einstufen.

Zweite Paraphrase: „Die Wurzeln deutscher Fußballfans, die unsere Verfassung bedrohen, liegen auch nach Meinung zahlreicher Experten eindeutig bei Ultras und im Hooliganismus. Weil sich alle Fußballfans mit ihren Gesängen und ihrem Auftreten auf den Ultra- oder Hooligan-Kult beziehen, ist es nicht einfach, zwischen frommen Fans, Radikalen, Ultras und Hools zu unterscheiden. Hören Sie sich doch an, was in vielen deutschen Stadien gesungen wird …“ usw. Oder: „Die Wurzeln der AfD liegen, nach Meinung vieler Experten, eindeutig in einem reaktionären und antidemokratischen Denken … “ Was Petry selbst sagt, lässt sich so mit dem einfachen Verweis etwa auf die Ergüsse von Alexander Gauland oder Björn Höcke disqualifizieren: Sie und ihre ganze Partei sind verfassungsfeindlich, sobald jemand aus ihrem Stall etwas entsprechendes sagt oder bereits gesagt hat.

Es bleibt verwunderlich, warum Politik und Öffentlichkeit dermaßen verstockt und ängstlich auf die AfD reagieren, deren Wortgewalt so weit von jeder argumentativen Substanz abweicht, dass es eigentlich lustig sein müsste. (Okay, der Einwand stimmt: Was Seehofer, Schäuble, Kretzschmann, Gabriel oder Ulbig – um nur einige zu nennen – so vor der Kamera reden, ist oft genauso wenig vom Wunder der Logik beseelt.) Warum also diese Unsicherheit aller Orten? Ist es eine heimliche Komplizenschaft mit der nationalen Reaktion, weil es sich – so ganz unter der Hand – doch wohlig anfühlt, wieder von einer „deutschen Familie“ zu träumen? Oder ist es die Angst, dass der gemeine deutsche Wähler am Ende doch affektgesteuert und immer noch vom völkischen Phantasma besessen ist? Ersichtlich ist nur, dass sich alle Parteien mittlerweile einer verdorbenen und reaktionären Sprache bedienen. Den Weg dahin hat unter anderem die AfD bereitet.

Eine andere Vermutung wäre, dass die AfD ungewollt ein politisches Moment adressiert, bei dem es um mehr gehen soll als um technokratische Details. Sie ruft in der Tat grundsätzliche Fragen auf, wenngleich beständig die falschen. Mit dieser reaktionären Partei verbindet sich also eine Rückkehr des Politischen – nur mit falschen Vorzeichen. Die Aufmerksamkeit, die ihr zuteil wird, wirkt wie ein großes Ablenkungsmanöver. Es verdeckt die Dringlichkeit, endlich das „Ende der Geschichte“ (F. Fukuyama) zu beenden, endlich die offensichtlichen Fehler einer neoliberalen Ideologie zu beheben. Aber dafür bräuchte es einen ernsthaften politischen Willen, der in Deutschland noch nicht einmal am Horizont zu erkennen ist. Es ist schließlich viel leichter, sich mit reißerischen Aussagen einer Partei zu befassen, die mit nichts anderem punkten kann. Dann gehört man – so gefühlsmäßig – immer noch zu den Guten.

  1. Es stimmt freilich, dass aus dem Kreise derer, die sich zum Islam zugehörig fühlen, politische Fundamentalismen entstehen, die alles andere als unproblematisch sind. Hier allerdings die Religion selbst als alleinige Ursache hinzustellen, wäre eine fatale Verkürzung der Sachlage.
  1. Bullshit….habe selten so viel mist und verdrehung der tatsachen gelesen. aber meinungen sind wie arschlöcher, jeder hat eins…..Fakt ist: die SPD, CDU/CSU und die Grünen müssen weg…..also bleibt nur die alternative…..das ist kein protest, sondern logik 😉

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