Das Manifest als Kinderbuch

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Dass „Dialektik“ ein Phantasiewort ist, hat uns M. U. Kling schon beigebracht. Nun zeigt sich, dass das Kommunistische Manifest zu den Kinderbüchern zählt. Mitten unter Fetischobjekten. Nennt man das Ironie der Geschichte? Und erlaubt sich die Bahnhofsbuchhandlung in Chemnitz einen Scherz? Mal abgesehen von den vielen lustigen Querverweisen zu „Pinkabellas Modenschau“ und einem Krokodil am Nil.

Ganz ohne Neusprech

Es geht auch einfach. Der Radiosender Deutschlandfunk brachte Anfang Dezember anlässlich eines passenden Gedenktags eine Nachrichtensendung in einfacher Sprache. Neben dem Umstand, dass besonders Lernende gut zuhören und einfacher verstehen können, fällt vor allem auf, dass trotz deutlich abgespeckten Vokabulars nichts verloren geht. Der seriöseste aller Sender hierzulande neigt, außer bei Zitaten, weniger zu typischen, meist holen politischen Phrasen, die der Neusprech-Blog auf’s Feinste sammelt und analysiert. In einfacher Sprache allerdings fehlt jeder euphemistische Zungenschlag, der sonst ein treuer Weggefährte politischer News ist.

Die Vollendung des Abendlands

Tondal's-Vision-(detail-of-the-burning-gateway)-largeNeben „Das Prinzip Hoffnung“ (Ernst Bloch) gibt es kein philosophisches Buch, dessen Titel derart in die Alltagssprache einging wie „Der Untergang des Abendlandes“. Derzeit hat die Phrase bei Spöttern wie Verteidigern von Pegida Hochkonjunktur. Im Kern treffen aber beide nicht Oswald Spenglers Werk, dessen zwei Teile 1918 und 1922 erschienen. Resignation oder Warnung sind dort kein Thema und im Vorwort seines geschichtsphilosophischen Entwurfs weist er das „Geschrei über Pessimismus“ von sich. weiterlesen

Billiges Geld

Spätestens seit dem jüngsten Zinstief ist die Rede vom „billigen Geld“ salonfähig. Gablers Wirtschaftslexikon kennt sogar eine „Politik des billigen Geldes“ und meint damit ein „geldpolitisches Konzept für eine expansive Konjunkturpolitik“: Niedrige Zinsen sollen dafür sorgen, dass viel Geld in Umlauf kommt und die Wirtschaft belebt. Soweit die übliche Tonlage. Gleichzeitig allerdings bringt die Phrase vom billigen Geld den Taumel eines selbstreferenziellen Wertsystems ans Licht. Nichts Festes, nichts Materielles, nichts Greifbares bildet mehr den Gegenwert zu Geld, zu buchstäblich gegenstandslosen Buchungen und Scheinen. Die Einheit für billig und teuer kann selbst billig oder teuer sein. Niemand würde indes im Baumarkt nach einem besonders langen Meter Holz verlangen. Mit einem solchen Geldbegriff ist vieles möglich, wie die Finanzmärkte anschaulich zeigen. Die Basis der zeitgenössischen Wirtschaft ist ein irres Spiel ohne Halt. Ironisch verarbeitet diesen Zirkus die Partei DIE PARTEI: Auch 2015 promoted sie wieder ihre „Geldverkaufsaktion“ und bietet Käufern 100 Euro für nur 80 Euro. Mathematischer Zweifel ist wirtschaftliche Realität: 2 + 2 = 5 is true for very large values of 2.

Kauf-Rauschen

IMG_20151012_184033957In erster Linie ist Rauschen ein akustisches Ding, oder physikalisch „eine allgemeine Störgröße mit breitem unspezifischem Frequenzspektrum“ (Wikipedia). Dann gibt es noch ein paar Variationen, die allerdings alle nichts mit Konsum zu tun haben. Ist das am Ende gar eine versteckte Warnung? Weil kaufen bei Karstadt eine Störgröße ist?

 

Kurzer Prozess

Wenn in Medien und Politik vom „kurzen Prozess“ die Rede ist, heißt das üblicherweise nichts Gutes. Ob es um Schnellverfahren gegen vermeintliche Diebe oder um einen „Kurzen Prozess mit Asylanträgen“ geht, beharrlich suggeriert der Begriff, dass die Dinge optimiert werden, dass Verfahren und Prozesse keine lästigen Umwege mehr gehen müssen. Die Sachlage ist doch eigentlich klar und kann auf kurzem Weg abgewickelt werden. Damit wird häufig geschickt verdeckt, dass Rechtsnormen gebrochen und Verwaltungsabläufe bzw. politische Entscheidungen über das Recht gestellt werden. Das passt dann zur alltäglichen Metapher, die damit spielt, nicht lange nachgedacht und abgewogen, sondern rigoros entschieden und gegebenenfalls durchgesetzt zu haben. Der kurze Prozess ist häufig die Verschleierung der Willkürherrschaft.

Rückantwort

(keine Erklärung im Duden)

Ein vergleichsweise gebräuchliches Wort im Verwaltungsdeutsch. Das macht es sicher nicht besser. Eine Antwort ist eine Gegenrede, eine Entgegnung. Sie beschreibt also immer schon einen reaktiven Prozess, mit dem einer Aussage begegnet wird. Eine Rückantwort wäre dann eine Gegengegenrede oder eine Entgegenentgegnung, die, streng genommen, auf den Sprecher zurückfällt. Also ein Selbstgespräch. Warum man diesem Begriff auch noch eine Schwester schenken muss und von „Rückäußerung“ spricht, bleibt unklar.

Zeitdauer

(Duden: Zeit, die etwas dauert; Dauer)

Die Duden-Erklärung ist für sich genommen schon lustig. Zeit ist Zeit und kennt wenig semantischen Spielraum. Das gilt auch für Dauer, die mit nichts anderem arbeiten kann als mit der Zeit. Zeitdauer könnte dann auch Zeitzeit oder Dauerdauer heißen.