Der Hofstaat und sein Narr

Jeremy_Corbyn_Bahrain_2Man muss Jeremy Corbyn nicht mögen. Und es gehört zum medialen Tagesgeschäft, mit diffus wertenden Bildern zu arbeiten. Wie Jochen Buchsteiner etwa in der FAZ. Er attestiert Tony Blair, „die Zeiger nach vorne“ gestellt zu haben, währen der neue „linksradikale“ Labour-Chef sie nun wieder zurückdreht. Progressiv und nach vorn blickend, will uns dieses Bild bedeuten, ist nur das neoliberale Projekt. Bitter allerdings wird die Berichterstattung, wenn nur noch Zirkus inszeniert, wenn Corbyn die Narrenkappe übergestülpt wird. So geschehen im Deutschlandfunk.

Die „Informationen am Morgen“ des entsprechenden Senders sind dem Vernehmen und der Tonlage nach das Flaggschiff des neutralen, nur informierenden Formats. Sachlich bis zur öden Langeweile, und im Namen schon um maximale Neutralität bemüht. Als allerdings Ende September ein Bericht an der Reihe war, der die erste Zusammenkunft der Labour-Partei unter der neuen Führung von Corbyn thematisierte, schob sich eine ungewohnt abschätzige Haltung in den Vordergrund. Der Londoner Korrespondent Friedbert Meurer sollte die Lage erklären. Tatsächlich allerdings gab er sich vor allem redlich Mühe darzustellen, dass nichts, gar nichts systematisch zu berichten sei, weil Corbyn, der alte, ewig gestrige linke Spinner, außer nebulösen Thesen nichts beizutragen habe.

Auf die Frage, ob denn bei diesem Parteitag alles anders sei, schiebt Meurer ein aufgesetztes und auffällig inszeniertes Lachen ein, um anschließend ausführlich auf das Chaos einzugehen, welches das Treffen heimgesucht habe. Andere, weniger stromlinienförmige Stimmen würde möglicherweise von Debatten und demokratischen Prozessen sprechen. Im Gewand des zeitgenössischen Hofstaatsdenkens ist das freilich nur Chaos. Und Corbyn ist der Narr, der linke Clown, der mit seiner durchaus streitbaren politischen Haltung vorführt, wie schmal der Raum akzeptierter politischer Alternativen noch ist. Was nicht im Dunst immer gleicher Lösungsvorschläge bleibt, wird verlacht und als unseriös bis schreiend komisch abgetan.

Auch die Moderatorin schwenkt, so beflissen wie anbiedernd, auf die subtilen Belustigungen ein. Mit einer Sendung, die „Informationen am Morgen“ heißt, hat das dann nur noch wenig zu tun und gipfelt in der Frage: „Wie viel Geduld wird die Partei, wird die Öffentlichkeit noch mit Jeremy Corbyn haben?“ Wie lange also wird sich der Hofstaat das Narrenspiel noch anschauen, bis es den Protagonisten von der Bühne jagt, weil er sich angemaßt hat, ernste Dinge beizutragen? Arroganter weil im Gewand seriös-objektiver Nachrichten könnte die Berichterstattung über einen gewählten Parteichef kaum ausfallen. Geduld, also die Fähigkeit, zu warten und störende Dinge einfach zu ertragen, muss man sich leisten können: Eltern etwa begegnen dem wütenden Kind geduldig, bis sie einschreiten. Schließlich, wenn der berühmte Geduldsfaden gerissen ist, folgt der autoritäre Akt. Er beseitigt den Missstand, der zunächst noch geduldig ertragen wurde.

Foto: RevolutionBahrainMC