Die AfD spuckt Gift und Galle

Simplicissimus_Unsern_FeindenDie AfD wäre gern eine seriöse Partei. Dumm nur, dass sie keinen Millimeter Abstand zum rechts-nationalistischen Mob hält und sich ausgiebig aus deren Gerüchteküche bedient. In einer Pressemitteilung verrührt sie falsche Zahlen und Stereotype zu einem feindseligen Brei.

Die Pressemitteilung der AfD-Fraktion im sächsischen Landtag vom 21. September 2015 besticht mit einer wahrlich propagandistischen Überschrift: „Vergewaltigungen durch Asylbewerber – Staatsregierung bisher planlos“. Gegenwärtig ist es einfach, auf die sächsische Landesregierung einzuprügeln, weil sie in der Tat nicht viel richtig gemacht hat. Und die AfD versucht sich nun daran, von ganz unten zu treten.

Zunächst wird betont, dass bereits drei Vergewaltigungen durch Asylbewerber in Sachsen stattgefunden haben sollen. Daran ist zwar nichts zu beschönigen, alleine allerdings sagt es nichts über die Häufung von sexuellen Gewaltverbrechen aus, die auf Asylbewerber_innen zurückgehen. Nun könnte man fragen, in welchem Verhältnis diese sexuellen Gewaltverbrechen zu jenen stehen, die durch Eingeborene verübt wurden, um eine belastbare statistische Aussage treffen zu können. Dies würde in der Gegenüberstellung jedoch das Stereotyp reproduzieren, dass sexuelle Gewaltverbrechen eher ein Problem von Asylsuchenden ist. Etwas später behauptet die AfD, dass „eine Millionen Asylbewerber […] unkontrolliert ins Land strömen“, was die Betonung der drei registrierten Fälle selbst schon ad absurdum führt. Wenn die AfD es ernst meinte, müsste sie gegen das Oktoberfest wettern. (Nebenbei: Es ist müßig, über die falsche weil viel zu hohe Zahl geflüchteter Menschen zu reden. Belastbar, wie es so schön heißt, sind die Behauptungen der AfD nicht.)

Gewalt gegen Frauen und Trans-Personen ist ein gesamtgesellschaftliches Problem, besonders betroffen sind Menschen „of Color“, mit Behinderungen und nicht-heteronormativ Lebende. Dass darüber insgesamt wenig berichtet wird, heißt selbstverständlich nicht, dass das Problem nicht existiert.

Die Behauptung, dass „man über die Zahl [drei sexuelle Gewaltverbrechen in diesem Jahr] nicht überrascht zu sein“ brauche, „wenn 60 Prozent der Asylbewerber allein reisende, junge Männer sind“, triggert ebenfalls nichts anderes als das Ressentiment. Sie führt faktisch ins Leere, weil sie begründungslos annimmt, dass es eben so sein müsse. Schließlich sind es ja Ausländer. Implizit wird ein Zusammenhang zwischen „allein reisenden, jungen Männern“ und der Zahl an sexuellen Gewaltverbrechen hergestellt, also dreist behauptet.

Die Bundes- und Landesregierungen schweigen zu allem Überfluss dieses Problem tot, behauptet die Pressemitteilung. Könnte es daran liegen, dass es tatsächlich keines gibt? Das gesamtgesellschaftliche Problem wird hingegen durchaus nicht verdrängt, wie sich an zahlreichen Kampagnen der sächsischen Polizei und Beratungsstellen in Sachsen zeigt. Dass es Verbesserungsbedarf gibt, steht dabei außer Frage.

Ungewollt komisch wird die Pressemitteilung, wenn der sächsischen Landesregierung indirekt unterstellt wird, „Refugees Welcome“-Banner aufzuhängen. Die Zustände in den Erstaufnahmestellen sind menschenunwürdig. Wer allerdings pauschal, wie die AfD, die Perspektive umkehren will, stellt die Dinge auf den Kopf.

Zudem behauptet die AfD, dass die Asylsuchenden „weitestgehend unqualifiziert sind“. Dazu gibt es Statistiken, die belastbar das Gegenteil belegen. Sie zeigen, dass es eine sehr große Varietät an beruflichen Qualifikationen gibt. Von „weitestgehend unqualifiziert“ kann daher nicht die Rede sein. Es gibt keinen Grund, hier Behauptungen aufzustellen – außer man versucht auf Krawall, das Vorurteil zu nähren.

Nicht minder pauschal werden asylsuchenden jungen Männern „sozio-sexuelle Probleme“ unterstellt. Und schon wieder greift die AfD in die falsche Begriffskiste (und schreibt es auch noch falsch): „Das Persönlichkeitskonstrukt ’soziosexuelle Orientierung‘ oder kurz ‚Soziosexualität‘ beschreibt interindividuelle Unterschiede in der Tendenz, sich auf sexuelle Kontakte auch ohne tiefere emotionale Bindung einzulassen“ (siehe hier). Wie genau der Link zu „fremden Kulturen“ und anderen Religionen funktionieren soll, versteckt sich im Nebel des billigen Vorurteils.

Die nächste dumpfe Behauptung lässt nicht lange auf sich warten. Es wird ein impliziter Zusammenhang zwischen Asylsuchenden und „Armutsmigranten“ ausgemacht, indem zunächst von ersteren und dann, ohne Themenwechsel, von letzteren die Rede ist. Die Deutung ist klar: Eigentlich kämen alle nur des Geldes wegen. Über den Unsinn solcher Statements ist genug gesagt und geschrieben worden.

Zuletzt wird Muslimen unterstellt, dass sie „ein anderes kulturelles Verständnis von der Rolle der Frau“ hätten. Das ist, man muss es immer wieder betonen, die falsche Homogenisierung einer vielfältigen Gruppe von Menschen aufgrund ihrer Religion. Und sie haben ein anderes Rollenverständnis als wer? Als „wir“ Christen? Als Eva Herrmann? Die Unterschiede bezüglich der „Rolle der Frau“ zwischen einem Dorf in Niederbayern, einem Kiez in Frankfurt, der AfD und dem Katholischen Deutschen Frauenbund etwa dürften bereits erheblich sein.

Kurzum: Die AfD ist ähnlich seriös wie Helmut Schmidt ein überzeugter Nichtraucher.

Susanne Löhne | rf