Im griechischen Idomeni machten sich am Montag Hunderte, gar Tausende auf, aufgeschreckt durch ein ominöses Flugblatt, die mazedonische Grenze zu erreichen. In Idomeni sitzen über 10.000 Menschen fest und bereits am Montagmorgen starben drei Menschen, bei dem Versuch, den Grenzfluss zu überqueren.
Die BILD-Zeitung titelte am Montag-Nachmittag:
Diese Schlagzeile nun zitierte ein Mitglied des CDU-Kreisvorstands Dresden, Dr. Maximilian Krah. Er stellte fest:
Dieses tatsächlich aus dem Lateinischen kommende Wort erklärt Wahrigs „Fremdwörterlexikon“ folgendermaßen:
1.) (feindl.) widerrechtl. (bewaffneter) Einbruch in fremdes Staatsgebiet
2.) (fig.; iron.) Eintreffen unerwünscht vieler Personen
3.) Eindringen von Krankheitserregern, deren Nachkommenschaft den Organismus des Wirtes verlässt; -> a. Infektion
Um es kurz zu machen: Dr. Krah möchte nicht die militärische Bedeutung des Wortes gemeint wissen, sagt er. Also möglicherweise die zweite Bedeutung im Wahrig? Allerdings ist eine ironische Verwendung eines festen Begriffs nicht unbedingt der Inbegriff für einen Satz wie: „Das deutsche Wort (iron.) für derlei Gegebenheiten.“
Bliebe noch die dritte Variante, also im biologischen Sinn? Nein, natürlich nicht, das wäre ja… Tja. Aber er erklärt es daraufhin und man möchte schon die Hände über dem Kopf zusammenschlagen, dass man nicht auf das Offensichtlichste gekommen ist:
Und verlinkt damit auf Spektrum der Wissenschaft.
Er meint es also geographisch, sozialökologisch, natürlich im Sinne der Chicagoer Schule, wie es auf der entsprechenden Seite beschrieben ist. Logisch! Diese soziologische Verwendung des Begriffs haben alle sofort im Blick, wenn sie dieses typisch deutsche Wort hören.
So dass, vielleicht, der ausformulierte Text über den Tweet Dr. Maximilian Krahs so aussehen könnte:
Laut Dr. Maximilian Krah, Beisitzer im Kreisvorstand der CDU-Dresden, handelt es sich bei dem Flüchtlingsmarsch vom griechischen Idomeni nach Mazedonien um eine Invasion im sozialökologischen Sinne des Wortes. Dieses deutsche Wort, welches laut Krah die Vorgänge in Idomeni beschreibt, kommt aus der sogenannten Stadtstrukturforschung und beschreibt die Neuansiedlung von Bevölkerungsgruppen, die z.B. in einem spezifischen Stadtteil vorher nicht da waren. Im weiteren Verlauf von Gentrifizierungsvorgängen werden sogar Studenten oder Künstler als Invasoren bezeichnet. Die Migranten (in das neue Gebiet) können also entweder durch ihren niedrigen sozialen Status dafür sorgen, dass die Angestammten in andere Viertel ziehen oder eben als Auswirkung von Gentrifizierung sich gezwungen sehen, das nun aufgewertete Viertel, welches nicht mehr ihrem sozialen Status entspricht, zu verlassen.
Derlei Beispiele sind u.a. in Berlin Mitte oder Leipzig Plagwitz zu sehen. Und das sind in der Tat bemerkenswert gleiche Vorgänge wie im Augenblick in Idomeni: Die Neubesiedelung des Stadtteils „Grenzwiese“ mit Zelten durch die studentisch/künstlerisch geprägte Bevölkerungsgruppe der Geflüchteten verwandelte die Wiese in eine Schlammwüste im griechischen Winter. Durch diese Aufwertung des Viertels, diesen Gentrifizierungsvorgang, sind die Geflüchteten nun gezwungen, die nächstbeste Wiese aufzusuchen. Nur steht da jetzt ein Zaun im Weg.
Das ist nicht nur erschreckend zynisch. Es ist eine plumpe Ausrede, weil selbst Dr. Krah aufgefallen sein dürfte, dass er mit „Invasion“ dreist danebenliegt. So sind sie, die modernen Rechten. Rechts wollen sie nicht sein, und wenn sie aus Versehen sagen, was sie denken, fühlen sie sich ertappt und wollen alles ganz anders gemeint haben. Etwas mehr Niveau bei der Suche nach Ausreden wäre dennoch wünschenswert.