Er hat es wieder getan. Malte R., Inhaber einiger Bioläden in Leipzig, stänkert. Nachdem er indirekt alle außer sich und seine Kunden für die Schieflagen des Kapitalismus verantwortlich machte (siehe hier), ist ihm vermutlich wieder langweilig. Deshalb hat er Aufkleber produzieren und auf die vor seinem Laden befindlichen Fahrradbügel kleben lassen (oder selbst geklebt). Diese kündigen an, dass „fremde Fahrräder“ kostenpflichtig entfernt werden. Wie auch immer die rechtliche Lage ist: Sympathiepunkte gibt es dafür kaum.
Die jüngste Posse vom Connewitzer Biomare in Leipzig erinnert an alte, knochige Hausmeister. Verbissen und grantig sorgen diese – dem Klischee nach – für unbedingte Ordnung und schießen dabei gern übers Ziel hinaus. Unverstanden ob der Sorge um das Eigentum mimen sie den deutschen Michel, allerdings ohne das Bioetikett und ohne den felsenfesten Glauben daran, Teil der besseren Welt zu sein. Die Aufkleber, die seit kurzem vor dem Laden in der Simildenstraße auf den Fahrradbügeln kleben, wären für verschrobene Hausmeister eine wahre Freude. Auf ihnen ist zu lesen: „Stellfläche für Biomare-Kunden – fremde Fahrräder werden kostenpflichtig entfernt.“
Vermutlich instinktiv hat Malte R. darauf verzichtet, von „widerrechtlich“ abgestellten Rädern zu fabulieren, weil die rechtliche Frage ziemlich unklar ist. Stattdessen bedient sich der Aufkleber der reichlich unklaren Etikettierung „fremd“. Welche Fahrräder Malte also zu Ungunsten ihrer Besitzer entfernen will, bleibt unbestimmt.
Was ist mit Leuten, die nach dem Sport in der benachbarten Sportetage Süd noch eine Biozitrone aus Chile schlürfen wollen? Oder mit jenen, die eine Flasche Biowein kaufen, um anschließend in der Häuserzeile gegenüber einen zu schnasseln? Wie groß muss der Einkauf gewesen sein, bis Malte R. aus einem fremden ein was? einheimisches, eigenes, hiesiges oder gar biodeutsches Fahrrad macht? Und wie genau kontrolliert er die Details und sortiert die Guten ins Biotöpfchen und zersägt von den Schlechten die Schlösser? Lauert dann ein Mitarbeiter hinter der Tür, um sogleich ein Zusatzschloss zu holen oder die Flex zu bedienen, sobald sich ein Fahrradparker nicht unmittelbar in den Bioladen begibt? Oder plant Malte R. Videokameras mit Gesichtserkennung im und vor dem Laden? Vielleicht sollte er beim Kollegen Thomas De Maizière vorsprechen und die Fahrradständer als Modellprojekt ins Spiel bringen?
„Was würdet Ihr denn sagen, wenn wir unseren Krempel bei Euch in der Wohnung einlagern?„, versucht Malte seine Ansage zu rechtfertigen. Die Unterschiede allerdings sind erheblich: Fahrräder, in welchem Zustand auch immer, sind dann kein Krempel, wenn sie bewegt werden. Sie werden abgestellt und nicht eingelagert. Viel wichtiger ist allerdings, dass es sich um einen offenen und mindestens in Teilen öffentlichen Raum handelt. Noch hat, soweit einsehbar, niemand Krempel im Laden von Malte R. abgestellt oder eingelagert.
„Hallo Coach Mike“, wendet sich der Chef schließlich diplomatisch an jenen Facebook-User, der das Thema auf die Agenda gesetzt hat: „Anstatt zu meckern, laden wir Dich ein, das Gespräch mit uns zu suchen.“ Die Erfahrung allerdings zeigt, dass dies wenig sinnvoll oder zielführend ist. Malte R. hat wenig Scheu, zu behaupten, was er will und allen, die ihm widersprechen, Sachlichkeit und Diskussionskompetenz abzusprechen.
Der Weg jedenfalls ist gepflastert: Mit antikapitalistischer Attitüde Kapital akkumulieren, mit (mindestens streitbaren) Eigentumsansprüchen öffentlichen Raum kontrollieren und die bösen Fremden (Fahrräder) entfernen. Fehlen nur noch die Gartenzwerge vor dem Laden.
Ich ernähre mich gern gesund und mit nachhaltigen Nahrungsmitteln. Daher gehe ich gern und oft bei Biomare zum Einkaufen. Einige hier wollen nur stänkern, vermutlich weil sie nicht bereit sind für gesunde Ernährung auch etwas mehr auf den Tisch zu legen. Die Linken sind schon immer im Kern: Neidhammel und Chaos-Brüder.
Also laßt Biomare in Ruhe!!! — Und geht zu Aldi …
Jo geil. Schöner Kommentar. Danke dafür, dass Sie, Karin, mal den stereotypen Biodiskurs wiedergeben (meine Gesundheit geht über alles), der ganz trefflich am Text vorbeigeht. Sie können gern zu Biomare gehen, das hat Ihnen niemand verboten. Aber lassen Sie uns bitte Kritik üben und einkaufen, wo wir es für richtig halten. Zum Gestänker um die „fremden Fahrräder“ ist Ihnen nichts eingefallen, was?
Thema erledigt. Die Aufkleber sind weg. Meine Mutmaßung: Connewitzer Stadtguerilla hat damit begonnen, die Aufkleber zu entfernen, Malte hat den Rest erledigt, nachdem die Stadt nachgehakt hat.
Danke! Zwei Einwände dennoch:
1. In diesem Laden dürfte noch nie eine Zitrone aus Chile gelegen haben. Schreib lieber „aus Südafrika“, damit bist du auf der sicheren Seite.
2. In diesem Laden ist jede Menge Krempel eingelagert, glaub mir. 😉
Der zweite Einwand stimmt ohne Einschränkungen. Beim ersten bin ich mir nicht sicher. Bei einer Diskussionsveranstaltung mit Malte R. hatte ich mal eine Limette aus Chile dabei, die ich im Biomare gekauft habe.
Hinzu kommt, dass es sich um „Leipziger Bügel“ handelt, die von der Stadt subventioniert werden, auch wenn es sich um – nicht umfriedeten (ich wollte auch mal schöne Worte nutzen), also von öffentlicher Verkehrsfläche aus zugänglichen – Privatgrund handelt. Die Stadt möchte damit auch die Umwandlung von privaten Parkflächen in öffentliche Fahrradabstellanlagen fördern:
https://www.leipzig.de/fileadmin/mediendatenbank/leipzig-de/Stadt/02.6_Dez6_Stadtentwicklung_Bau/66_Verkehrs_und_Tiefbauamt/flyer_fahrradbuegel_fuer_leipzig.pdf
Malte nimmt also gerne die Subventionen der Stadt mit (die stellt Bügel auf und wartet sie ggf.), er zahlt nur das Material in Höhe von 160€ pro Bügel. Aber die Unannehmlichkeiten – nämlich, dass die Bügel seine Parkflächen zu einer öffentlichen machen, ist er nicht bereit zu tragen.
Genau diesen Text wollte ich letzte Woche an den Bügeln hinterlassen, leider hatte ich nichts zum schreiben dabei. Vielleicht schreibe ich mal zunächst Malte R. an. Und wenn keine Reaktion kommt, die Stadt. Die hat sicher für nachträgliche Umfriedungen und ähnliche Nutzungseinschränkungen eine Vetragsstrafe in petto.