Sprachloses Schweigen

Der Sprachlos-Blog stellt vorläufig den Betrieb ein. Dafür gibt es Gründe.

Unser Ziel war (und ist) es, über reaktionäre, neusprechmäßige und andere Zumutungen zu berichten, dem schleichenden Rechtsruck und der synchron zu beobachtenden sprachlichen Verrohung etwas entgegenzusetzen. Mittlerweile stellen wir immer wieder fest, dass wir uns in endlosen Schleifen bewegen und immer wieder auf die gleichen oder zumindest sehr ähnliche Ausfälle, Abgründe und Frechheiten hinweisen und diese halb belustigt halb wütend diskutieren müssten. Das ist ermüdend. Hinzu kommt, dass nicht viel Neues zu erfahren wäre und dass wir nicht glauben, noch ernsthaft Leute zu erreichen, die nicht schon sensibilisiert und aufmerksam sind. Wer noch nicht begriffen hat, was die Stunde geschlagen hat und mit welcher Wucht reaktionärer Unfug um sich greift, der will es nicht verstehen. Aufklärung – etwa über die AfD oder sächsische Verhältnisse – war wichtig und hatte seine Zeit. Mittlerweile geht es nur noch darum, bestimmten Leuten und Strömungen das Handwerk zu legen. Inhaltliche oder sprachkritische Überzeugungsarbeit ist sicher immer wichtig, sie verfängt sich gegenwärtig jedoch in endlosen Redundandandandandanzen.

Ein zweiter Punkt hat ebenfalls dazu beigetragen, vorläufig die Finger von der Tastatur zu nehmen: Die thematische Engführung des Blogs. Kritisch auf böse, dumme oder dreiste Menschen zu schauen, schreibt uns gewissermaßen vor, deren Themen zu wälzen. Gerade reaktionäre Kräfte, die sprachlich besonders gern daneben liegen, der Sprache Gewalt antun oder mit ihr Gewalt andeuten, reproduzieren die immergleichen Themen – oder vor allem das eine Thema: Migration. Viel mehr haben sie nicht, und wir wollen uns nicht beständig auf deren Projektionen einlassen. Zu entlarven gibt es außerdem nicht mehr viel. Wir glauben also, dass es an der Zeit ist, andere Wege zu finden, eigene Themen zu setzen und politisch zu intervenieren. Ein sprachkritischer Blog ist dafür nur bedingt geeignet.

Vielleicht kommen wir irgendwann mit einem breiteren Autoren- und Themenspektrum wieder. Es gibt viel zu tun. Währenddessen bleibt die Seite online. Empfohlen sei noch der Blog geschichtedergegenwart.ch, der interessant und auf höchstem Niveau die Gegenwart und ihre Historizität seziert.

Die Autoren vom Sprachlos-Blog

Lasst Opa brabbeln: Warum Gauland nicht das Problem ist

Gauland_Zuschnitt
Bild: Metropolico.org, CC BY-SA 2.0

Das Offensichtliche zuerst: Alexander Gauland ist ein nationalistischer Scharfmacher, der Hitler gern rechts überholen will. Sein Geschichtsbild ist ekelhaft und revisionistisch, und seine jüngsten Aussagen zur deutschen Geschichte provozieren amtlichen Brechreiz. Aber das Problem ist nicht er, weshalb die Aufregung um seine Aussagen einigermaßen ungeschickt ist. Zwei Dinge sind bedeutender als die letztlich immer gleiche provokante Leier von Gauland und seinen Mitstreitern: Einerseits bedient er sich eines lästigen Reiz-Reaktionsschemas, das vor allem ihn und seine Partei im Fokus der Aufmerksamkeit hält. Andererseits spitzt er nur einen Gedankengang oder eine Deutung zu, die selbst im bürgerlichen Lager selbstverständlich ist: Die Erzählung vom gesunden Nationalismus. weiterlesen

WdbB: Frühsexualisierung

Die Differenzen zwischen besorgtem Wunschbild und Wirk­lichkeit sind groß. Das trifft nicht zuletzt auf die Vorstellungen vom richtigen und frommen Privatleben zu. Während der feuchte Traum besorgter Bürger und Eltern (besorgte-eltern.net) jener einer monogamen Ehe mit drei Kindern ist, sieht die Lebenswirklichkeit um einiges komplizierter aus − auch jene der Besorgten selbst. Als 2015 die rot-grüne Landesregierung in Baden-Württemberg einen neuen Bildungsplan vorzustellen gedachte, der vorsah, »Schülerinnen und Schülern (…) die verschiedenen Formen des Zusammenlebens von/mit LSBTTI-Menschen« näherzubringen, schlugen die Wellen hoch. Das konservativ-reaktionäre (und teils das christliche) Lager sah sich einer Wiederkehr der 68er-Promiskuität ausgesetzt und versammelte sich hinter der Kampfvokabel »Frühsexualisierung«. weiterlesen

Identitäre: Ein Abo auf historische Unkorrektheit

flamberg1Sie wollen die Intellektuellen der sogenannten Neuen Rechten sein, die genau genommen so neu nicht sind. Jung, hip, klug, als solches inszenieren sich die Identitären und nennen ihren kleinen Haufen gleich eine ganze Bewegung. Wichtig ist ihnen Tradition und so, weshalb sie gern geschichtliche Bezüge herstellen. Dabei zeigen sie mitunter eklatante Lücken in ihrer historischen Bildung.  weiterlesen

WdbB: Abschiebeverhinderungsindustrie

aschiebeverhinderungsindustrieMan muss Rainer Wendt Respekt zollen. Kaum jemand sonst hatte sich derart festgebissen im deutschen Talkshowgeschäft. Woche für Woche polterte der Chef der Deutschen Polizeigewerkschaft (DPoIG) gegen die aufgeklärte Welt und redete ihren Untergang herbei. Nur die ganz harte Hand könne noch helfen. Dabei gelang es Wendt, als Gesicht der ganzen Polizei aufzutreten, obwohl seine durchaus umstrittene Gewerkschaft mit 94.000 Mitgliedern deutlich kleiner ist als die Konkurrenz, die Gewerkschaft der Polizei. weiterlesen

1. Mai: Mit Bockwurst fürs Recht aufs Schuften?

arbeit_textAnlass 1. Mai: Der DGB schwärmt einmal mehr von „Guter Arbeit“ und lässt Erwerbslose erneut im Stich. Der Bürgermeister der deutschen Vize-Armutshauptstadt reckt kämpferisch die Faust und Kindern wird das Auf und Ab des Berufslebens an der Hüpfburg verdeutlicht.

„Arbeit muss sich wieder lohnen”, sind sich die politischen Parteien und Gewerkschaften einig. Wann aber hat sich Lohnarbeit schon einmal angemessen ausgezahlt? Geld für eine erfüllende Tätigkeit statt entfremdeter respektive entfremdender Arbeit zu bekommen, gilt bis dato als Luxus der Wenigen. Wir sitzen einem Trugschluss auf, was den Sinn der Erwerbsarbeit betrifft, das kann man sich mit etwas Muße gerade am „Tag der Arbeit” (oder auch „Kampftag der Arbeiterbewegung”) einmal klarmachen. weiterlesen

WdbB: Schuldkult

9. November 2015, Dresden: Zum Jahrestag der Reichspogromnacht forderte Pegida den Schluss­strich. »Lasst uns mit eurem Schuldkult für die Vergangenheit, für die keiner von uns hier die Verantwortung trägt, endlich in Ruhe!«, schallte es von der Bühne. Der Termin ist makaber, die Wortverwendung entlarvend. Schuldkult wird von der extremen Rechten seit Langem als »psychotisches Krankheitsbild« (so der verstorbene Nazi Jürgen Rieger) attestiert. Er funktioniert wie die Nazikeule als doppelte Unterstellung: Man schiebt den anderen etwas unter, um es ihnen dann vorwerfen zu können. weiterlesen

WdbB: christlich-jüdisch

christlich-juedischDie Rolle der »christlich-jüdischenTradition« bei der kolportierten Notwendigkeit, das Abendland gegen die Islamisierung zu verteidigen, erscheint wie ein Phantomschmerz. Denn das sächsische Geburtsland von Pegida ist wie andere ostdeutsche Bundesländer für die Konfessionslosigkeit seiner Einwohner bekannt. Manche würden auch behaupten, dass es Antisemiten dort leichter haben als Juden. Vielleicht deshalb strengt sich die Evangelische Kirche in Sachsen nun an, dem Phantom eine pegida-gerechte Gestalt zu geben. So profilierte sich der Landesbischof Carsten Rentzing vor seiner Ernennung mit homophoben Aussagen. Und für den ob seiner DDR-Opposition bekannten ehemaligen Pfarrer Theo Lehmann drückt sich in dieser Haltung der auch in Kirchensachen bewundernswerte »sächsische Weg« aus. Diesen ebnet er für die Spaziergänge von Pegida, an denen er teilnimmt, um seine Kritik am Islam als »antichristliche Religion« zu demonstrieren. weiterlesen

Gemeinsame Erklärung zur Sendung „Dienstags direkt“ des MDR Hörfunk

Gemeinsame Erklärung von Kerstin Köditz und Robert Feustel

Wir haben unsere Teilnahme an der heutigen @MDR_SN-Sendung „Dienstags direkt“ abgesagt. Angefragt waren wir zum Thema „politische Korrektheit“. Unseres Erachtens ist das ein Kampfbegriff der Rechten, und unser Ziel war, ihn nicht unwidersprochen zu lassen. Das Thema wurde bei einer kurzfristigen Sendungsankündigung mittlerweile in eine Richtung (weiter-)gedreht, die vollends indiskutabel ist.

Auf das Konzept der Sendung, den Tenor der Ankündigung und weitere Gäste hatten wir freilich keinen Einfluss. Jene kritischen Stimmen liegen richtig, die grundsätzlich fragen, warum keine Menschen eingeladen wurden, die selbst von Rassismus betroffen sind.

Wir danken denen, die uns zeitnah und sachlich sensibilisiert haben. Der von (weiteren) Beleidigungen nur so gespickte „Shitstorm“ ringsum ist dagegen sinnlos und unwürdig.