Dein Wille geschehe. Zum Vertrauen in die Märkte

1983-06_Kirchentagsabzeichen_Vertrauen_wagenWas ist in den letzten Jahren nicht alles über Märkte berichtet worden. Sie schwanken, legen an der Börse einen missmutigen Start hin oder sind zögerlich; die Märkte haben einen Höhenflug oder zweifeln. Jede Menge stimmungsgeladene Verben und Adjektive, die üblicherweise auf lebende Kreaturen passen. Doch am häufigsten ist vom Vertrauen die Rede. Der Konsument solle es den Märkten schenken, und die wiederum kommen auch nicht ohne aus. Vertrauen ist der Kit der kapitalistischen Wirtschaft. Zugleich verrät das Wort, dass Markt und Kapital gottgleich sind. Und wenn die Dinge doch schief laufen, liegt es an der ungläubigen Herde, die ihrem Trieb nachgibt. Weiterlesen

Ab durch die Mitte: Zur Basis der Extremismusfalle

ab-durch-die-mitteInsbesondere sächsische CDU-Politiker – aber nicht nur diese – sind jedes Mal beim lauten Aufatmen zu beobachten, wenn sich irgendetwas entdecken lässt, das man als „linksextremistisch“ identifizieren könnte. Und sei es nur die Teilnahme an einer nazikritischen Demonstration. Dann muss man eben nicht mehr so intensiv über Nazis reden oder darüber, dass das Problem Rassismus heißt. Auch Pegida ist eigentlich nicht so schlimm, wenn die linksextremistischen Gegendemonstranten nicht wären. Dass im Gegenüberstellen und Gleichsetzen von vermeintlichen Extremismen nichts gewonnen ist, der Extremismusbegriff ein politisches Kampfmittel etablierter Parteien und Institutionen ist und zugleich verharmlosend, weil er blind macht, haben andere ausführlich kritisiert.1 Das erst die fragwürdige Idee einer Mitte den Extremismusbegriff plausibel macht, also sein gedankliches Fundament bildet, soll dieser Beitrag zeigen. Weiterlesen

Voranmeldung

(Duden: vorherige Anmeldung, Vormerkung)

Ein schönes Beispiel für ein Wort mit interner Sinnverdopplung. Melden ist akut (Arm hoch etwa), anmelden ist chronisch (beim Yogakurs) oder spielt mit einem zeitlichen Vorlauf (für einen späteren Termin anmelden). Voranmeldung schließlich ist dann die Ankündigung, sich anzumelden – also eine Verlegung der Meldung mit zweifachem Zeitvorlauf.

„Asylkritik“-Kritik

„Asylkritik“: Ein neues Wort macht die Runde und ersetzt den Regenschirmbegriff „besorgte Bürger“. Steht „besorgte Bürger“ für eine Schnittmenge aus Nazis und Rassisten, frustrierten Erwerbslosen und wendeenttäuschten ostdeutschen Rentnern, von Abstiegsängsten getriebenen Angehörigen der unteren Mittelschicht und anderen Menschen mit einfachem Weltbild, so soll Asylkritiker jene bezeichnen, die mit der deutschen Einwanderungspolitik nicht übereinstimmen. Nur wird das Wort in den Medien nie in der Form verwendet, sondern dient vornehmlich zur Verharmlosung vor Flüchtlingsheimen auflaufender gewaltbereiter oder gewalttätiger Menschen. Weiterlesen

Wegstrecke

(Duden: Abschnitt eines zurückzulegenden Wegs)

Auch dieses Wort ist eine komische Dopplung. Ein Weg ist eine Strecke, und eine Strecke ist ein Weg. Dass es mitunter den Teil eines Ganzen bezeichnen soll, also etwa die erste Wegstrecke eines Gesamtweges oder so ähnlich, mag formal funktionieren. Dafür muss man aber auffällig um die Ecke denken.

Was heißt denn hier „Klartext“?

Der sächsische Innenminister Markus Ulbig durfte jüngst in einem Interview erneut die Flüchtlings- bzw. Asylproblematik kommentieren. Sein Amt, das er vor Jahren schon hätte abgeben müssen angesichts der Skandale und Ausfälle, die er sich geleistet hat, verleiht seinem Wort ein absurdes Gewicht. Und die Bild-Zeitung erhebt es ganz gefällig zur Wahrheit. Weiterlesen

Die bizarre Logik der ARD

tagesschau_20150807Die ARD bekleckert sich erneut nicht mit Ruhm. Eine weitere Katastrophe im Mittelmeer, bei der mehr als 200 Opfer zu beklagen sind, wird Anfang August 2015 zwar mit dem üblichen Singsang der Betroffenheit anmoderiert. Gleichzeitig kommt eine verquere Logik  zum Tragen: Nicht einmal davon lassen sich Fluchtwillige abhalten. Und die Bösen sind natürlich die Schleuser. Weiterlesen

Ein Parasit geht um

800px-Sarcoptes_scabei_2Das passt mal wieder ins Bild. In der Dresdner Zeltstadt für geflüchtete Menschen soll die Krätze ausgebrochen sein (siehe MoPo vom 31.7.2015). Mit einer solchen Schlagzeile berichtet das Boulevardblatt Morgenpost nicht nur von üblen Zuständen im Camp. Ganz beiläufig kolportiert es auch abgeschmackte Stereotype, die traditionell am Namen einer Krankheit hängen. Und Holm Felber von der Landesdirektion Sachsen nährt ausländerfeindliche Ressentiments – ohne es zu bemerken. Weiterlesen

Das Gerücht und die „Lügenpresse“

passieren3Dieser Tage zirkulieren unzählige Gerüchte, vor allem wenn es um geflüchtete Menschen geht. Sie wollten nur in die deutsche Hängematte (als würde sich ein Syrer, der vor dem Krieg in seinem Land fliehen muss, SGB I bis SGB XII zu Gemüte führen). In Schmiedeberg wird beharrlich die Geschichte erzählt, dass staatlich finanzierte Prostituierte in die Flüchtlingsunterkunft gekarrt würden. Und jeder national bewegte Bürger weiß mittlerweile, dass Antifa-Aktivisten allein für ihr Kommen 25 Euro die Stunde kassieren, nur weil die taz einst einen herrlich mit satirischem Ernst formulierten Text veröffentlichte. Wie allerdings kommt es, dass noch das absurdeste Gerücht seinen festen Platz im Wissen behaupten kann? Die sozialen Medien sind nur ein Teil der Antwort. Weiterlesen

Das Ritual der Wahl: Merkel forever!

Zur Macht von Überschriften
AMDie Sache mit der Demokratie ist eigentlich ziemlich kompliziert. Im alten Griechenland galt sie eher als verpönt und war ein Name für den Versuch der Ausgeschlossenen, bei der Gestaltung der Gesellschaft, bei der Verteilung der Güter usw. mitzutun. Mittlerweile wurde das demokratische Prinzip auf Wahlen eingedampft, bei denen im Wesentlichen stromlinienförmige Kandidaten mit hauchzarten Unterschieden um die Gunst des Volkes buhlen und bei denen die Ausgeschlossenen (etwa Geflüchtete) gerade keine Stimme haben.  Doch die Abwicklung des Politischen zugunsten einer oligarchischen Verwaltung des Reichtums hat eine weitere Hürde genommen. Dies offenbart sich bisweilen in Überschriften. Weiterlesen