Replik zu: „Gummimuschis und Bürgerwehren“

Ein Text ein Thema, sagt ein alter Spruch. Die heute beim Student! veröffentlichte Besprechung, die sich – insgesamt durchaus positiv – mit der Lesung aus dem Wörterbuch des besorgten Bürgers beschäftigt, hat diesem Ratschlag nicht Rechnung getragen. Abseits des Gegenstandes verhandelt der Text die bereits aus dem Herbst 2016 stammende Debatte um das Statement des Conne Island und eine Reaktion, die auf dem Sprachlos-Blog veröffentlicht wurde.

Den streitbaren Text, auf den die Besprechung anspielen, habe ich geschrieben. Die anderen drei Protagonisten der Lesung standen dieser bewusst scharf formulierten Polemik durchaus skeptisch gegenüber. Tobias Prüwer etwa hatte direkt im Anschluss einen Beitrag im Kreuzer um einiges moderater formuliert. Es wäre durchaus wichtig, da sauber zu bleiben und nicht Medium und Autor zu verwechseln. Außerdem finde ich es nicht wirklich gelungen, ohne Kontext und ohne einen konkreten Bezug zu bemerken, dass wir (also ich) dem Conne Island Kulturrassismus vorwerfen. Der Vorwurf war begründet, wenn auch streitbar – und das sollte er ja. Doch noch viel weniger habe ich das Kulturzentrum, mit dem ich nun seit etwa 15 Jahren verbandelt bin, mit Pegida verglichen. Der Text sollte, wie es ein Kommentator bei Facebook treffend bemerkte, ein freundschaftlicher Klapps auf den Hinterkopf sein und darauf aufmerksam machen, dass bestimmte reaktionäre Deutungen dieser Tage eine erhebliche Sogwirkung entfalten. Probleme über Kulturkreise und damit vermeintlich festgelegte Eigenschaften von Menschen zu verhandeln, ist gegenwärtig ähnlich naheliegend wie falsch.

Die ausbleibende Diskussion nach der Lesung wird schließlich auch an dieses Thema gebunden.  Es könnte die „Angst“ der Gäste gewesen sein, „dass die vier Autoren selbst vor den ihnen tendenziell Wohlgesonnenen keine Rücksicht nehmen und sie als rassistisch oder opportunistisch bezeichnen, wie wir am Beispiel des ,Conne Islands‘ gesehen haben“, schließt der Text wild spekulierend. Nun, dies klingt so, als würden die vier Figuren auf der Bühne tagein tagaus durch Connewitz laufen und wahllos Leute zu Rassisten und Opportunisten erklären. Noch einmal: Die Quelle für diese durchaus böse Unterstellung ist ein konkreter Text eines Autors, der sich mit einem Statement beschäftigte und in diesem tendenziell kulturrassistische Kräfte aufkeimen sah. Zudem entmündigt dieser Schlusssatz die Zuschauer und schiebt den Autoren auf der Bühne eine arg autoritäre Rolle zu.

  1. Hallo Herr Feustel,
    nachdem wir den Artikel bereits privat besprochen haben, würde ich gerne hier noch einmal meine Sicht der Dinge darstellen.

    Als erstes möchte ich Ihnen Recht geben, dass es einen falschen Eindruck erzeugt, wenn ich darüber spreche, dass der Text über das Conne Island vom gesamten Autorenteam stammt. Die betreffende Stelle wurde nun geändert. Der Schlusssatz ist sicherlich extrem und war anders gemeint, als es von Ihnen aufgefasst wurde. Ich kann verstehen, dass eine missverständliche Lesart hier leicht möglich ist.

    Ihre anderen Kritikpunkte teile ich nicht ohne Weiteres. Der Bezug zu Ihrem Text ist einerseits durch die Wahl des Veranstaltungsortes gegeben, außerdem berichtete student! über die Pressemitteilung des Conne Island in der November-Ausgabe des vergangenen Jahres. Hinzu kommt, dass ich erwähne, dass Ihr Text sich auf das umstrittene Statement des Clubs bezieht, die doch sehr bekannt ist.

    Ich gebe zu, dass der Satz über den Kulturrassismus und den Pegida-Vergleich zugespitzt ist. Doch Ihr Text auf dem Blog ist von solchen Zuspitzungen auch nicht frei, daher habe ich dieses Stilmittel ebenso für mich in Anspruch genommen. Teilweise provozierende Verkürzungen – freilich ohne den Sinn zu verzerren – sind dem journalistischen Genre geschuldet. Ich habe mich im Besonderen (nicht ausschließlich) auf diese zwei Sätze von Ihnen bezogen:
    „Dieser Satz jedenfalls hätte (tauschen wir das Wort „Geflüchtete“ mit „Asylanten“) auch von einer Gida-Bühne schallen können. Dabei ist die Konfrontationsstellung, die hier bedient wird, das Grundmuster reaktionärer, kulturrassistischer Ideologie.“
    Ich bin der Ansicht, dass man das, was ich geschrieben habe, schreiben kann, ohne mir eine besonders böswillige Lesart Ihres Textes zu unterstellen.

    Das Ende meines Artikels sollte eher humorvoll als verurteilend sein. Ich bin mir ziemlich sicher, dass die Zuschauer nicht tatsächlich Angst vor den Autoren hatten. Den Grund für die ausgebliebene Diskussion sehe ich eher in der Überschneidung der politischen Ansichten des Publikums und der Vortragenden, wie ich es einen Satz davor angemerkt habe. Der Schluss sollte den Artikel „rund“ machen. Die Redaktion und Ich haben diese Stelle ebenfalls geändert und uns jetzt Ihres Ausdrucks des „freundschaftlichen Klapps“ bedient, um das ironische Ende stärker zu betonen.

    Insgesamt finde ich Ihre Kritik berechtigt, vor allem was den Autor/Medium-Unterschied und die harte Wortwahl am Ende betrifft. Doch den Grundsatz „Ein Text ein Thema“ sehe ich bei meinem Artikel nicht verletzt. Wenn die Autoren eines Blogs ein Buch im Conne Island vorstellen und auf dem gleichen Blog den Veranstaltungsort ein paar Monate vorher sehr hart kritisiert haben, gehört dies meines Erachtens nach schon in die Lesungsrezension.

    Zum Schluss möchte ich auch hier nochmals betonen, dass mir die Lesung insgesamt ausgesprochen gut gefallen hat. Am kurzweiligen und multimedialen Konzept könnten sich viele andere Lesungsveranstalter eine große Scheibe abschneiden.

    Vielen Dank für Ihre ausführliche Rückmeldung, an einer Stelle habe ich wohl im Eifer des Gefechts das rechte Maß verloren. Ich hoffe, dass Sie meine Ansicht ebenfalls nachvollziehen können und die nachträglichen Änderungen den von mir intendierten Sinn eher treffen.

    Mit freundlichen Grüßen,
    Rewert Hoffer

    1. Hallo Herr Hoffer,

      nun, das gehört sicherlich alles in den Bereich der journalistischen Freiheit, angemessen finde ich es dennoch nicht. Dass das Conne Island uns eingeladen hat und dass ich etwa mit dessen Geschäftsführerin immer noch gut befreundet bin, dürfte Sie dann ziemlich verwundern, oder? Debatten, bei denen es doch um viel geht, werden mitunter hart geführt (das hat im Conne Island übrigens Tradition); und mir schien (und scheint es immer noch) der Streit um das Statement ziemlich wichtig. Mit dem Stück zur westlichen Feierkultur, das nicht im Buch selbst ist (und da auch nicht hingehört), haben wir darauf angespielt und eigentlich auch eine Debatte in diese Richtung eröffnet. Darauf hätten Sie ggf. eingehen können, weil man dann beim Thema geblieben wäre.
      Aus der Deutung eines Satzes (die noch mit einem auffälligen „jedenfalls“ vor ihrer Verallgemeinerung bewahrt werden sollte) einen Vergleich zwischen zwei Institutionen abzuleiten, ist für meine Begriffe weit über dem Maß selbst polemischer Zuspitzung. Zumal Sie bedenken müssen, dass – abseits der strengen Wortbedeutung – „verglichen“, wie Sie es in Ihrem Satz verwenden, üblicherweise als „gleichsetzen“ verstanden wird. Und dann bekommt das schon eine ziemlich derbe Note.
      Und noch ein Wort zum Ende: Wir sind alle vier schon eine Weile im Geschäft, teils hauptamtlich als Journalisten oder Lektoren, jeweils jedenfalls beinahe ganztägig mit Sprache beschäftigt. Keiner von uns hat den Schluss als humorvolle Wendung mit Augenzwinkern gelesen. Das mag unser Fehler sein. Aber der Punkt, der den Witz als Witz kenntlich machen könnte, ist dann doch sehr gut versteckt; bzw. gibt es ihn nicht. Stattdessen begründen Sie dem Ton nach sachlich, dass die fehlende Diskussion mit der Vorgeschichte zu tun haben könnte, die Sie weiter oben nicht eben als Witz einbinden. Damit verbauen Sie eine distanzierte Lesart dieser Passage ziemlich explizit. Abgesehen davon, dass ein solcher Spaß – nun ja – für sich genommen schon Geschmackssache ist, weil er damit spielt, Angst zu verbreiten.

      Letztlich ärgert es mich, dass zwei Themen so ungünstig verstrickt werden. Zumal das Statement und die Diskussion darum es tatsächlich nicht gebrauchen können, als Sidekick zu dienen. Es gab einige Aufregung und ich muss bis heute Missverständnisse aufklären (die übrigens teilweise dem Umstand einer zu polemischen Überzeichnung meines Textes geschuldet sind, an denen ich also nicht unschuldig bin, aber nur in Teilen).

      Und nochmal: Nichts für Ungut. Nehmen Sie es als Manöverkritik.

      Beste Grüße
      rf

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