Fundstück: Die Sprache der Liebe

Detail an der Hubbrücke in Magdeburg (Foto: Tobias Prüwer)
Detail an der Hubbrücke in Magdeburg (Foto: Tobias Prüwer)

Westgotisches Ahnenerbe

1228„Neapel bleibt unser! Für ein Deutschland in den Grenzen von 1228“: Die Fallstricke der historischen Argumentation drückt der Antifa-Sticker aus den Neunzigern vorzüglich aus. Projektionen eines „Wir“ in einen bestimmten Raum und zu einer bestimmten Zeit lassen ziemlich alles möglich werden. Mit dem Ruf nach „Reconquista“ zeigt das ethnopluralistische Denken ein solches geschichtsklitterndes Vorgehen. Dabei ist nicht nur die Bezugnahme auf die „Rückeroberung“ des christlichen Spaniens von Muslimen durch christliche Spanier schief. Der Begriff in sich selbst ist eine historische Konstruktion zur identitären Sinnstiftung. weiterlesen

Drohen, wünschen, hoffen

ramelow„Erneut Todesdrohung gegen Ramelow“, überschrieb die Thüringer Allgemeine einen kurzen Text über eine vermutete Mordandrohung an den Thüringer Ministerpräsidenten Bodo Ramelow. Daran sind gleich zwei Aspekte unsauber. weiterlesen

Halbseidenes Beschreibungsgeschäft

halbseidenLegal, illegal? Scheißegal: diese lumpigen Briefkastenfirmen. – „Halbseidene Geldgeschäfte“ nennen Focus & Co. die durch die Panama Papers aufgedeckten Unternehmungen. Das ist ein hübscher Versuch der Verschleierung, wessen Charakters denn nun die Geschäfte sind. Pauschal illegal sind Briefkastenfirmen offenbar nicht. Da man das aber ungern so offen schreibt, muss eben ein Adjektiv her, das der Sache etwas Schmieriges und Zwielichtiges verleiht. Da kommt das schillernde Attribut „halbseiden“ gerade recht.

Dabei meint Halbseide zunächst nur Gewebe, das in einer Fadenrichtung aus Seide besteht, in der anderen nicht. Kartoffelklöße, weiterlesen

Die Vollendung des Abendlands

Tondal's-Vision-(detail-of-the-burning-gateway)-largeNeben „Das Prinzip Hoffnung“ (Ernst Bloch) gibt es kein philosophisches Buch, dessen Titel derart in die Alltagssprache einging wie „Der Untergang des Abendlandes“. Derzeit hat die Phrase bei Spöttern wie Verteidigern von Pegida Hochkonjunktur. Im Kern treffen aber beide nicht Oswald Spenglers Werk, dessen zwei Teile 1918 und 1922 erschienen. Resignation oder Warnung sind dort kein Thema und im Vorwort seines geschichtsphilosophischen Entwurfs weist er das „Geschrei über Pessimismus“ von sich. weiterlesen

Die perfide Welle

sprachlos welleFlüchtlingsströme oder gar -fluten, Wellen der Empörung und Gewalt: Fließ- und Wassermetaphern sagen viel über uns, aber nichts über Flüchtlinge und anderes aus, das wir als wellenbewegt beschreiben. Das Verdrängte schwappt über. Ob Gegendemonstrationen etwa bei Gida-Aufläufen als losgelassene Wellen der Gewalt deklariert oder Ströme von Flüchtlingen herbeigeredet werden, die sich nur durch Zäune wenn nicht aufhalten, dann wenigstens eindämmen ließen: weiterlesen

Gastfreundschaft: Der Fremde auf der Türschwelle

sprachlos_gastDie Debatte um den Umgang mit Flüchtlingen ist schief, wenn sie auf mangelnde Gastfreundschaft reduziert wird. Ein Gast ist jemand, der nur eine Zeit lang bleibt und dann wieder geht. Das lässt sich an der Etymologie des Begriffs, also seiner Wortherkunft ablesen.  Das mittelhochdeutsche „Gast“ bezeichnet den „Fremden“ und „Fremdling“, das Lateinische geht noch weiter: Die sprachverwandten „hostis“ und „hospes“ stehen beide für den Fremden, bei ersterem schwingt zusätzlich die Bedeutung „Gegner“ und „Feind“ mit. weiterlesen

Stör’ meine Kulturkreise nicht

Der Zwang des Kollektivs: Warum kulturelle Identität kein harmloser Teamgeist, sondern exklusives Konstrukt ist

Das Ich ist kein Gegenstand. Ludwig Wittgenstein[1]

sprachlos_kulturkreiseLeitkultur[2] und Integration, Kampf der Kulturen und Identitäre, Mehrheitsgesellschaft und Schicksalsgemeinschaft: Immer wieder ploppen in bundesdeutschen Debatten neue Begriffe auf oder werden längst begraben geglaubte Konzepte zu neuem untotem Leben erweckt – „das grundlegende Kulturverständnis jedoch verändert sich kaum. Ob nun die bereichernden Qualitäten der Multikultur gepriesen werden oder Konservative auf die deutsche ‚Leitkultur’ pochen, immer bleibt Johann Gottfried Herder der unsichtbare Pate des hiesigen Kulturdiskurses. Noch die avanciertesten postmodernen Konzeptionen von ‚Transkultur’ arbeiten sich an der hergebrachten Vorstellung ab, Kulturen seien unabhängige Gebilde mit festen Grenzen und gleich bleibendem Kern.“[3] Weiterlesen

Ab durch die Mitte: Zur Basis der Extremismusfalle

ab-durch-die-mitteInsbesondere sächsische CDU-Politiker – aber nicht nur diese – sind jedes Mal beim lauten Aufatmen zu beobachten, wenn sich irgendetwas entdecken lässt, das man als „linksextremistisch“ identifizieren könnte. Und sei es nur die Teilnahme an einer nazikritischen Demonstration. Dann muss man eben nicht mehr so intensiv über Nazis reden oder darüber, dass das Problem Rassismus heißt. Auch Pegida ist eigentlich nicht so schlimm, wenn die linksextremistischen Gegendemonstranten nicht wären. Dass im Gegenüberstellen und Gleichsetzen von vermeintlichen Extremismen nichts gewonnen ist, der Extremismusbegriff ein politisches Kampfmittel etablierter Parteien und Institutionen ist und zugleich verharmlosend, weil er blind macht, haben andere ausführlich kritisiert.1 Das erst die fragwürdige Idee einer Mitte den Extremismusbegriff plausibel macht, also sein gedankliches Fundament bildet, soll dieser Beitrag zeigen. Weiterlesen

„Asylkritik“-Kritik

„Asylkritik“: Ein neues Wort macht die Runde und ersetzt den Regenschirmbegriff „besorgte Bürger“. Steht „besorgte Bürger“ für eine Schnittmenge aus Nazis und Rassisten, frustrierten Erwerbslosen und wendeenttäuschten ostdeutschen Rentnern, von Abstiegsängsten getriebenen Angehörigen der unteren Mittelschicht und anderen Menschen mit einfachem Weltbild, so soll Asylkritiker jene bezeichnen, die mit der deutschen Einwanderungspolitik nicht übereinstimmen. Nur wird das Wort in den Medien nie in der Form verwendet, sondern dient vornehmlich zur Verharmlosung vor Flüchtlingsheimen auflaufender gewaltbereiter oder gewalttätiger Menschen. Weiterlesen